Obwohl die Lichtempfindlichkeit der Silbersalze bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entdeckt wurde, hat erst im Jahre 1839 Louis Daguerre das erste praktisch anwendbare fotografische Verfahren – die Daguerrotypie – erfunden. Bald aber kam die Enttäuschung – die kleinen, silbern schimmernden Bilder konnten nur im geringen Maße die Welt, wie wir sie mit unseren beiden Augen sehen, wiedergeben. Zehn Jahre später hat der britische Gelehrte David Brewster – unter Anwendung des von Charles Wheatstone erfundenen Prinzips – ein Gerät zur Betrachtung von dreidimensionalen Bildern erstellt. Ein Bildpaar, das mit einem doppellinsigen Photoapparat mit einem Linsenabstand ähnlich dem der Augen des Menschen aufgenommen wurde, durch zwei Linsen betrachtet, verblüffte mit dem Eindruck der Räumlichkeit, was einigermaßen die fehlenden Farben ersetzte. Die stereoskopischen Lichtbilder, zum ersten Mal öffentlich auf der Londoner Weltausstellung 1851 gezeigt, haben sogar die Königin Viktoria entzückt.

Im Jahre 1871 wurden die Trockenplatten mit lichtempfindlicher Gelatineschicht erfunden, die die Fotografen von der Nähe der Dunkelkammer befreiten. Deren Lichtempfindlichkeit hatte die Momentaufnahmen von beweglichen Motiven ermöglicht. Das war der Anfang der stürmischen Entwicklung der fotografischen Technik, auch der Stereoskopie. In den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern viele Kopieranstalten, die massenhaft Stereobilder nach dem Oliver-W.-Holmes-Standard, auf 89x179 mm Kartons aufgezogen, produzierten. Die mit Stereokameras ausgestatteten Fotografen besuchten entfernteste Länder der Welt, verewigten Ansichten von Städten, malerische Landschaften, berühmte Personen, historische Begebenheiten, Katastrophen und Wunder der Natur. Die Betrachtungsgeräte – Stereoskope – gehörten bald zur obligatorischen Ausstattung bürgerlicher Salons. Über Stereoskopie 1877

Dieses Stereoskop wurde nach dem Vorbild des Holmes-Stereoskops gebaut. Der Amerikaner Oliver Wendell Holmes (1809-1894) hat 1861 – nach dem Prinzip des Linsen-Prismen-Stereoskops von Brewster – ein einfaches, leichtes und kostengünstiges Gerät entwickelt, das zur Betrachtung im Auflicht von Stereobildern im Format 89 x 179 mm (3,5 x 7 Zoll) diente. Holmes – Arzt, Dichter und Romanschreiber – hat seine Erfindung nicht patentiert. Sie wurde bald als Weltstandard anerkannt und überdauerte fast ohne Änderungen mehr als ein halbes Jahrhundert, ohne dem Erfinder materiellen Nutzen zu bringen.


Das Stereobild im Holmes-Format aus der Anstalt der Gebrüder Kilburn in Littleton, im US-Staat New Hampshire. Die Kopieranstalt wurde in den achtziger Jahren des 19. Jahrhundert gegründet, beschäftigte in der Zeit der Spitzenkonjunktur über 100 Angestellte und bestand bis 1910. In dieser Kleinstadt wirkten damals im Konkurrenzkampf mehrere Kopieranstalten dieser Art.


In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts hat August Fuhrmann das Kaiserpanorama gebaut – in Polen und einigen anderen Ländern „Fotoplastikon“ genannt –, das 24 oder 25 Personen das gleichzeitige Betrachten von hinterleuchteten stereoskopischen Diapositiven ermöglichte. Vier von ihnen überdauerten bis heute in Polen – zwei in Warschau, eins in Krakau und eins in Posen.

Der Aufschwung der Stereoskopie dauerte bis Ende des 19. Jahrhunderts; erst die Erfindung der Kinematografie hat der Attraktivität der Stereoskopie ein Ende gesetzt. Jetzt blieb Stereoskopie nur ein Steckenpferd einer Gemeinde von weniger Tausend Amateuren, die in Internet-Kreisen ihre Werke der Öffentlichkeit zeigen:  3D WebRing Die in den ersten Nachkriegsjahren populären Viewmaster-Stereobetrachter (mit runden Pappscheiben für je sieben Bildpaare) und verschiedene Gadgets, geschmückt mit dreidimensionalen Bildern, sind schon längst verschwunden. Trotzdem wirkt in Polen eine Druckerei, Stamptex die im Linsenrasterverfahren Postkarten, Mausunterlagen, Werbematerial und auch einfache Stereobetrachter herstellt.

Seit langem versuchte man die Vorteile des Kinos und der Stereoskopie zu vereinen. In Warschau entstand in den siebziger Jahren das „Oka“ Lichtspieltheater, vor einigen Jahren das technisch perfekte „IMAX“-Kino, das nächste wurde in Krakau eröffnet und das dritte wird in Kattowitz gebaut.

Das wäre schon die ganze kürzestgefasste Geschichte der Stereoskopie. Und wie geht es heute der Dritten Dimension? Von den Millionen Bildern aus dem vergangenen Jahrhundert sind noch Tausende erhalten geblieben und die Amateurclubs sammeln diese Dokumente der Geschichte, Sitten und Mode. In unserer Galerie sind 40 Bilder aus dem Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zu sehen. Da das Betrachten der originalen Bildpaare besondere Geräte oder eine Augenakrobatik benötigen würde, wurden die Bilder digitaltechnisch in Anaglyphen verwandelt, die zur Betrachtung durch rotblaue Brillen Okulary bestimmt sind. Es reicht aus, das Miniaturbild anzuklicken, und gleich erscheint das Bild im Großformat. Das erneute Anklicken des Großbildes bringt uns zur Galerieseite zurück. Mehr über Anaglyphen:

Die zwei ersten Reihen der Bilder stammen aus der Sammlung Hartmut Wettmann, Berlin, die dritte Reihe der Bilder stammt aus verschiedenen deutschen und amerikanischen Firmen, drei weitere Reihen aus der Kopieranstalt der Gebrüder Kilburn, eine Reihe aus der Underwood-Kopieranstalt, die nächsten drei Bilderreihen aus der Sammlung des Warschauer Kaiserpanoramas, die letzte Reihe aus der Sammlung des Fördervereines für Kaiser-Panoramen e.V. in Celle.


Preisgünstige Anaglyphenbrillen finden Sie im Fachhandel oder im Internet: Mehr über polnische Kaiserpanoramas: in Warschau und in Posen Anmerkungen, Infos: